Hintergrund

Die GFCF Diät bedeutet, dass auf Gluten und Casein verzichtet werden soll (GFCF = Gluten-frei, Casein-frei). Der Verzicht auf Getreide und Milchprodukte wird in letzter Zeit wieder hochbeschworen, da angeblich diese Lebensmittel ein besonders hohes Suchtpotenzial aufweisen und psychische Erkrankungen wie Depressionen, Autismus, Schizophrenie, etc. fördern.
Die Hinweise auf mögliche Zusammenhänge sind schon seit über 40 Jahren bekannt aber bislang nicht eindeutig belegt. Im Zusammenhang mit dem Vegan-Hype und der Low-Carb Ernährung werden diese Vermutungen gerne wieder aufgegriffen und neu hochgekocht.

Biochemische Zusammenhänge

Bei der Herstellung von weizenhaltigem Brot und Käse entstehen bei Fermentations-, Erhitzungs- und enzymatischen Abbauprozessen aus den Eiweißen Gliadin (Weizenklebereiweiß) und dem Casein (Milcheiweiß) sogenannte Exorphine. Aus Gliadin entsteht das Heptapeptid Gliadorphin, bestehenden aus den 7 Aminosäuren  Tyrosin-Prolin-Glutamin-Prolin-Glutamin-Phenylalanin. Beim Caseinabbau entsteht das Exorphin Casomorphin, ein Heptapeptid das aus den Aminosäuren H-Tyrosin-Prolin-Phenylalanin-Prolin-Glycin-Prolin-Isoleucin-OH aufgebaut ist. Reagiert es mit dem Enzym Carboxypeptidase Y resultiert daraus das Pentapeptid H-Tyrosin-Prolin-Phenylalanin-Prolin-Glycin-OH (Casomorphin-5), das eine stärkere opiatartige Aktivität aufweist als das Casomorphin-7.

Wie die Begriffe Exorphine schon anklingen lassen, handelt es sich bei diesen Abbauprodukten des Gliadins und Caseins um Verbindungen, die ähnlich wie die körpereigenen Endorphine oder das aus dem Schlafmohn gewonnene Morphin, in der Lage sind die Opiatrezeptoren zu stimulieren.

Wirkungen an den Opiatrezeptoren

Wie die linke Abbildung verdeutlicht, wirken Exorphine ähnlich wie Endorphine und Opiate an den unterschiedlichen Opioidrezeptoren. Dabei können sie diese stimulieren und zu ähnlichen, abgeschwächten Wirkungen führen, wie sie von Endorphinen oder Opiaten ausgelöst werden.
Die bekanntesten Wirkungen sind die Analgesie, Euphorie, Atemdepression oder Obstipation.

In klinischen Untersuchungen konnten bei Patienten mit Depressionen, Schizophrenie, Autismus, Epilepsie und ADHS, Exorphine in relativ hohen Konzentrationen im Urin nachgewiesen werden. Sie mussten somit die Darmwand passiert haben, um anschließend über das Blut renal gefiltert zu werden.

Wie passieren Exorphine die Darm-Blut-Schranke?

Üblicherweise entstehen Exorphine und der Inhibitoren im menschlichen Darm zu gleichen Verhältnissen. Die Resorption dieser Peptide ist zudem eher gering, da sie transzellulär nur in seltenen Fällen die Darmwand passieren können. Somit werden die Casomorphine und Gliadorphine üblicherweise von Peptidasen des Verdauungstraktes und der Darmbakterien zu Aminosäuren abgebaut, die dann anschließend mittels erleichterter Diffusion resorbiert werden können. Tritt jedoch ein leaky gut Syndrom auf, bei dem die Schleimschicht über der Darmmukosa fehlt und sich die Kittleisten zwischen den Darmzellen verringert haben, so können Exorphine in großem Maße in das Blutgefäßsystem übertreten und zu einer unphysiologischen Aktivierung der Opioidrezeptoren im ZNS und ENS (enterisches Nervensystem = Darmhirn) beitragen. Die Auswirkungen können eine verminderte Schmerzwahrnehmung, ein gestörter Hormonhaushalt, Appetitsteigerung, Verstopfung und veränderte Emotionen sein.

Wie sinnvoll ist die Eliminierung von Milch und Weizen?

Wie bereits beschrieben wurde, ist die Entstehung von Exorphinen aus natürlichen Lebensmitteln ein ganz normaler Prozess, der prinzipiell ständig vorkommt. In unserem Verdauungstrakt entstehten täglich hunderte pharmakologisch wirksamer Verbindungen aus dem Abbau von Lebensmitteln. Sollten wir nun alle Lebensmittel eliminieren, weil als Zwischenprodukte psychotrope Substanzen entstehen, so wird sich unser täglicher Speiseplan auf ein paar wenige Lebensmittel reduzieren.
Der entscheidende Faktor, der berücksichtigt werden muss, ist nicht das Lebensmittel per se, sondern die Resorbierbarkeit der Abbauprodukte im Darm. Bei einem gesunden Darm, mit einer intakten Mikrobiota und einem ausreichenden Schleimschutz, stellen Milch- und Getreideprodukte kein Problem dar. Sollte es dennoch zu gesundheitlichen Problemen kommen, so muss zuerst über eine Darmsanierung nachgedacht werden und ggf. eine Exorphinbestimmung im Urin erfolgen, bevor eine rigorose Eliminierung günstiger Lebensmittel erfolgt.
Des Weiteren sollte berücksichtigt werden, dass es gerade bei Milch- und Getreideprodukten riesige Qualitätsunterschiede gibt, die sich natürlich auch auf die Verträglichkeit auswirken. Hochwertige Milchprodukte erkennt man an einer adäquaten Fütterung der Kühe (Heumilch), sowie an einer adäquaten Tierhaltung (behornte Kühe). Der Einsatz von Antibiotika und Masthilfsmitteln ist bei dieser Tierhaltung verboten und schlägt sich somit nicht in den Produkten nieder. Die schonende Erhitzung der Milch und das Fehlen der Homogenisierung machen diese Produkte zudem noch verträglicher. Der mäßige Verzehr solcher Milchprodukte steht einer gesunden Ernährung also nicht im Wege. Ein genereller Verzicht erscheint eher nicht sinnvoll.

Wie hoffen, dass dieser Beitrag euer Interesse an Ernährungsthemen geweckt hat. Diese Inhalte sind auch Teil der Diätassistentenausbildung an unserer Schule. Für weitere Informationen stehen wir euch jederzeit zur Verfügung. Bis zum nächsten Blogbeitrag.