Neues vom Cholesterinsenker-Markt

Allgemein

In diesem Beitrag wollen wir euch die neuesten medikamentösen Entwicklungen im Bereich Cholesterinsenker erklären. Der Hintergrund ist der, dass seit September 2015 auch in Europa sogenannte „Cholesterinspritzen“ zugelassen sind, die immer häufiger Anwendung finden. Was sich dahinter verbirgt versuchen wir möglichst einfach zu erklären. Das Thema Cholesterinstoffwechsel ist allerdings sehr komplex, so dass es sinnvoll wäre, eingangs einen älteren Beitrag von uns als Vorabinformation zu lesen. Siehe Cholesterinstoffwechsel

Hohe LDL Cholesterinspiegel erhöhen das arteriosklerotische Risiko

Der Markt für cholesterinsenkende Medikamente ist enorm groß und somit auch extrem lukrativ. Dieses Geschäft lässt die Pharmaindustrie nur ungerne aus, zumal durch das Absenken der Grenzwerte für Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin, der Anteil der Risikopatienten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark angestiegen ist. Die müssen natürlich versorgt werden, was sich allerdings als relativ schwierig erweist,  da die Zahl der Patienten,  die therapierefraktär auf die etablierten Medikamente wie Statine und Anionenaustauscherharze reagieren, zunimmt. Die Pharmaindustrie steht somit unter einem Zeitdruck um neue cholesterinsenkende Medikamente mit neuen Wirkungsansätzen auf den Markt bringen. Dies führt z.T. zu abenteuerlichen Therapieansätzen, die bei einem gewissen Verständnis für die Zusammenhänge des Cholesterinstoffwechsels, nur schwer nachvollziehbar sind. Aber sehen Sie selber!

Statine senken den LDL Spiegel durch Hemmung der intrazellulären Cholesterinsynthese

Die klassischen Cholesterinsenker sind bereits seit Ende der 1970 Jahre auf dem Markt. Ihr Wirkungsansatz ist relativ einfach nachzuvollziehen und in sich auch logisch. Statine (auch als HMG-CoA Reduktase Hemmer oder Cholesterinsynthese Hemmer bezeichnet) greifen in den zellulären denovo Cholesterinstoffwechsel ein. Sie hemmen kompetitiv das Schlüsselenzym der körpereigenen Cholesterinsynthese, nämlich der 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-CoA Reduktase. Sie katalysiert die Reaktion von HMG-CoA zu Mevalonsäure. Wird diese Reaktion gehemmt, nimmt die Bildung zelleigenen Cholesterins und somit der Cholesteringehalt der Zelle ab. Dies induziert eine verstärkte Transkriptionsrate des LDL Rezeptor Gens im Zellkern, mit der Konsequenz, dass die LDL Rezeptordichte in unterschiedlichsten Geweben zunimmt und somit die Zellen verstärkt LDL Cholesterin aus dem Blut aufnehmen. Über diesen Effekt lassen sich die LDL Cholesterinspiegel nachweislich senken, was in zahlreichen klinischen Studien nachgewiesen wurde. Ob dieser LDL Cholesterin- senkende Effekt sich jedoch gravierend auf eine Senkung des arteriosklerotischen Risikos auswirkt, bleibt immer noch umstritten. In zahlreichen klinischen Studien konnte zwar ein relativer Nutzen hinsichtlich eines Infarktrisiko belegt werden, dieser darf allerdings nicht gleichgesetzt werden mit einer absoluten Risikoreduktion. Gleichzeitig muss auch hier auf die nicht unwesentlichen Nebenwirkungen der Statine verwiesen werden. Cerivastatine können in Kombination mit Fibraten zu einer Auflösung der quergestreiften Muskulatur am Herzen, Skelett und Zwerchfell führen. (Siehe auch I in der Abb. 1)

CETP Hemmer blockieren den Transfer von Cholesterinestern und Triglyceriden zwischen HDL und VLDL/LDL

Die nächste Wirkstoffgruppe der Cholesterinsenker wird seit ca. 10 Jahren erforscht und gehört zu der Gruppe der Cholesterinestertransferprotein Hemmer. Dieser Wirkstoff endet auf -cetrapib. Der Wirkungsansatz beruht auf der Hemmung des in Wirbeltieren vorkommenden Cholesterinestertransferproteins (Siehe II der Abb.1). Es bewirkt den Transport von Cholesterinestern und Triglyceriden zwischen unterschiedlichen Lipoproteinfraktionen. So kann dieses Protein effektiv Cholesterinester von HDL auf VLDL oder LDL übertragen. Dieser Effekt ist heute allerdings eher ungünstig, da das HDL Cholesterin zur Synthese von Gallensäuren in der Leber herangezogen werden sollte, um den Blutcholesterinspiegel effektiv zu senken. Der Transfer von Cholesterin zwischen den Lipoproteinfraktionen verhindert ein Absinken des Serumcholesterinspiegels. Wird nun dieses Transferprotein blockiert, so gelangt vermehrt Cholesterin in die Leber, das dort zu ca. 80-90% zur Gallensäuresynthese herangezogen wird. Bislang konnten die neuen Medikamente allerdings nicht sonderlich überzeugen. Bereits das dritte Medikament dieser Wirkstoffgruppe konnte die Phase III der klinischen Studie nicht überstehen. Das letzte Medikament dieser Wirkstoffklasse war Evacetrapib der Firma Eli Lilly, das dieses Schicksal in diesem Jahr ereilt hat.  Wie üblich wird auf einen Wirksamkeitsmangel verwiesen, was jedoch für die Phase III einer klinischen Studie eher untypisch ist. Wegen Sicherheitsrisiken war 2006 die klinische Entwicklung von Torcetrapib der Firma Pfizer nach anfänglich beeindruckenden Ergebnissen zur HDL-Erhöhung eingestellt worden. In einer großen Endpunktstudie war eine Zunahme der Mortalität unter diesem CETP-Hemmer beobachtet worden.

PCSK9 Inhibitoren binden hochspezifisch das Protein Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 und erhöhen somit die hepatische LDL Rezeptordichte

Die letzte Medikamentengruppe gehört zu den humanen monoklonalen Antikörpern und ist erst seit 2015 in Europa als Wirkstoff zugelassen. Der Wirkungsansatz ist folgender. Im Jahre 2003 konnte nachgewiesen werden, dass die Bindung des Serumeiweißes – Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 – kurz PCSK9 – an LDL Rezpetoren der Leber zu einer verstärkten endozytotischen Aufnahme des LDL Rezeptors in die Leberzellen führt. Dort werden diese Protein-Rezeptor-Komplexe lysosomatisch abgebaut und stehen den Leberzellen nicht mehr zur Verfügung. LDL Rezeptoren der Leber binden üblicherweise Serum-LDL Cholesterin und entziehen es somit dem Blut. Über diesen Weg kann ein Teil des LDL-Cholesterins eliminiert werden. Bei Menschen mit einem angeborenen Gendefekt des Proteins PCSK9 konnte somit auch ein verminderter LDL Cholesterinspiegel nachgewiesen werden. Das war die Ausgangsüberlegung für den Wirkungsansatz dieser Medikamentengruppe.
Durch den Einsatz monoklonaler Antikörper, die spezifisch das Protein PCSK9 binden und es somit für die Bindung an den LDL Rezeptor untauglich machen, sollte sich die Dichte der LDL Rezeptoren auf den Leberzellen erhöhen lassen. Dadurch kann mehr LDL Cholesterin in die Hepatozyten aufgenommen werden und der LDL Spiegel nachweislich gesenkt werden. (Siehe III der Abb. 1). Diese neuen Medikamente sollen vor allem bei Patienten mit primärer Hypercholesterinämie eingesetzt werden, um das Risiko für koronare Herzerkrankungen zu senken. Allerdings erscheint dieser Ansatz sehr fragwürdig, da der Großteil der Genveränderungen bei Patienten mit primärer Hypercholesterinämie sich auf Veränderungen der Apoproteine des LDL (B-100) und auf Veränderungen des LDL Rezeptors beziehen. Ob sich durch den Einsatz der neuen Medikamentengruppe überhaupt langfristig sinnvolle Erfolge erzielen lassen ist fraglich. Die LDL Rezeptordichte der Leber kann noch so hoch sein. Solange der Rezeptor defekt ist bzw. ein defektes Hüllprotein der LDL Partikel nicht an den Rezeptor binden kann, wird auch keine Cholesterinaufnahme in die Leberzellen erfolgen.
Zur Zeit befinden sich die Medikamente Praluent mit dem Wirkstoff Alirocumab  und Repatha mit dem Wirkstoff Evolocumab auf dem Markt. Weitere werden in naher Zukunft sicher zugelassen werden. Der Wirkstoff wird als 150 ml Injektionslösung im Fertigpen vertrieben und kostet pro Spritze 742,26 Euro!! Die Injektion von 75 – 150 ml muss in einem Abstand von zwei Wochen mehrmals wiederholt werden. Da kommt einiges an Kosten zusammen!

Eine effektive Senkung des Blutcholesterinspiegels ist ohne eine Ernährungsumstellung nicht zu erreichen

Grundsätzlich sollte klar gestellt werden, dass die oben genannten Wirkstoffgruppen nur dann einen sinnvollen Effekt erzielen, wenn gleichzeitig eine Ernährungsumstellung auf eine lipidsenkende Kost durchgeführt wird. Grundpfeiler der lipidsenkenden Kost ist neben der Gewichtsreduktion eine drastische Reduzierung der gesättigten Fettsäuren im Austausch gegen einfach- und mehrfach ungesättigte Fettsäuren vom omega 3 und 6 Fettsäuretyp. Die Reduzierung des Nahrungscholesterins als auch die Einschränkung des Fruktose- und Saccharosekonsums spielen eine ebenso wichtige Rolle. Desweiteren haben Ballaststoffe wie beta-Glucane im Hafer und Pektine im Obst und Gemüse eine effektiv Cholesterin-senkende Wirkung.
Sollte der Cholesterinspiegel unter diesen diätetischen Maßnahmen immer noch zu hoch sein, ist der Einsatz spezieller phytotherapeutischer Mittel dem Einsatz der oben genannten Medikamente erst einmal vorzuziehen. (Dazu dann mehr in den nächsten Heilpflanzen des Monats Mai und Juni.)
Abschließend sollte zumindest darauf hingewiesen werden, dass die Senkung des LDL Spiegels und die Anhebung des HDL Spiegels im Blut nicht zwangsläufig mit einer Reduzierung des arteriosklerotischen Risikos einhergehen muss. Die Pathogenese der Arteriosklerose und der sich daraus ableitenden Gefäßerkrankungen ist viel zu komplex, als sie an zwei Blutparametern festzumachen.

Wir hoffen, dass der Artikel euch Spaß gemacht hat. Die Inhalte dieses Artikels sind auch Teil der Diätassistentenausbildung an unserer Schule. Wenn ihr Interesse bekommen habt, seht euch doch weitere Seiten unsere Homepage an und informiert euch über diese Ausbildung. Alles Gute und bis zum nächsten Artikel.

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