Der gestörte muconutritive Regelkreis als Ursache des Leaky Gut Syndroms

In einem der letzten Beiträge haben wir uns mit der immunstimulierenden Wirkung von Ballaststoffen beschäftigt. Heute geht es wieder um Ballaststoffe – allerdings unter dem Aspekt ihrer protektiven Wirkung auf die enterale Mikrobiota (die Gesamtheit der Bakterien in unsererm Darm).
Wie eng das Zusammenspiel unserer Ernährung und der Entwicklung einer gesunden Darmflora zusammenhängt, wollen wir am Beispiel des muconutritiven Regelkreises erläutern.
Vorab allerdings ein paar Informationen über den Aufbau unserer Darmschleimhaut.

Aufbau der Darmschleimhaut

darmzotten_1Die Darmschleimhaut weist eine enorme Oberfläche auf. Dies wird vorrangig durch drei anatomische Gegebenheiten bewerkstelligt.

  • Kerckringfalten = Sie stellen eine grobe Faltung innerhalb des Darms dar
  • Zotten und Krypten = Dies sind fingerförmige Ausstülpungen in das Darmlumen bzw. Vertiefungen in die Darmwand
  • Mikrovilli = Bürstensaum, der sich auf den Epithelzellen der Dünndarmzotten befindet.

Durch diese Oberflächenvergrößerung erreicht der Darm eine Fläche von ca. 400 m². Dies ist allerdings notwendig, um eine optimale Nährstoffresorption zu gewährleisten. Gleichzeitig stellt der Darm auch die größte Kontaktfläche zur Außenwelt dar, über die zahlreiche Antigene und Allergene in unserern Organismus eindringen können. Aus diesem Grund weist der Darm den größten Anteil des Immunsystems auf, um uns vor Fremdstoffen aus der Außenwelt zu schützen. Dieses darmspezifische Abwehrsystem wird als GALT ( gut associated lymphoid tissue = darmassoziiertes lymphatisches Gewebe) bezeichnet. Neben diesem spezifischen Abwehrsystem verhindert jedoch auch eine typische Schleim- und Bakterienschicht über den Darmzellen, den direkten Kontakt mit gesundheitschädlichen Antigenen und Allergenen. Der Schleim wird von speziellen Becherzellen (blaue Zellen rechts in der Abbildung) der Darmzotten produziert, mit denen wir uns später noch intensiver beschäftigen werden.

Der muconutritive Regelkreis

Wie oben bereits beschrieben, ist eine intakte Schleim- und Bakterienschicht über unserer Darmwand entscheidend für die Abwehr von Allergenen und Antigenen aus der Nahrung. Die Schleimschicht weist durchschnittlich eine Stärke von 200 µm auf und kann in eine innere und äußere unterteilt werden. An der Stabilisierung dieser Schleimschicht sind vorzugsweise zwei Bakterienkulturen, sowie das Vorhandensein von Ballaststoffen beteiligt. Wie die detaillierten Zusammenhänge erfolgen beschreibt die nebenstehende Abbildung.
darmzotten_2Lassen wir den muconutritiven Regelkreis in den Becherzellen beginnen. Diese sezernieren Muzine, die unsere Darmwand überziehen. Wesentliche Inhaltsstoffe des Schleims sind Proteoglycane (Eiweiß-Zucker-Verbindungen), die einer speziellen Bakterienspezies (Akkermansia muciniphilia) vorrangig als Nährstoffe dienen. Beim Abbau des Schleims durch Akkermansia entstehen kurzkettige Fettsäuren und Oligosaccharide, die wiederum der nächsten Bakterienkultur – Faecalibacterium prausnitzii – als Energielieferant zur Verfügung stehen. Faecalibakterien zersetzten allerdings auch Ballaststoffe in großem Maße. Die Abbauprodukte der Ballaststoffe (BS) sind kurzkettige Fettsäuren, allen voran die Buttersäure (H3C-CH2-CH2-COOH). Buttersäure ist das wichtigste ernährende Substrat unserer Darmepithelzellen. Zu 70% erfolgt die Energieanlieferung über die Darmseite und nur zu 30% über die Blutseite. Verringert sich die Buttersäurezufuhr, so verlangsamt sich der Zellstoffwechsel der Darmepithelzellen. Die Folge ist eine reduzierte Zellteilung und eine Überalterung der Zellen. Folglich ist das Risiko der Mutagenese und der Entartung dieser Zellen erhöht. Das Risiko für Darmkrebs steigt somit erheblich.
Ein verminderter Zellstoffwechsel bedeutet in den Becherzellen der Darmschleimhaut allerdings auch eine verminderte Schleimproduktion. Der Schleimabbau duch die Bakteriengattung Akkermansia erfolgt jedoch weiterhin. Nimmt die Schleimhautdicke ab, so reduziert sich allerdings auch die Anzahl der Akkermansiakulturen. Diese stellen allerdings durch den Schleimabbau den wichtigsten Trigger für die Schleimproduktion der Becherzellen dar.
Wird diese z.T. hoch sensible Beziehung aus Schleim, Bakterienkulturen und Ballaststoffzufuhr gestört, ist mit einem Rückgang der Schleimschicht zu rechnen, was sich als sogenanntes Leaky Gut Syndrom (Syndrom des durchlässigen Darms) manifestiert.

Das Leaky Gut Syndrom

darmzotten_3Leaky Gut bedeutet durchlässiger Darm. Der Darm ist bei dieser Schädigung nicht mehr von einer schützenden Schleimschicht überzogen, was folgenreiche Konsequenzen nach sich zieht. In diesem Fall kommen zahlreiche Nahrungsmittelallergene und -antigene in direkten Kontakt mit der Darmwand und können diese vorrangig parazellulär passieren, weil gleichzeitig sich die Durchlässigkeit der Darmwand bei dieser Erkrankung dramatisch erhöht hat. Dies ist unter anderem auf einen Rückgang der wichtigen „Kittleisten“ zwischen den Enterozyten zurückzuführen. Der vermehrte Durchtritt nahrungspezifischer Allergene und Antigene führt zu einem intensiven Kontakt mit Abwehrzellen in der Mukosa und Submukosa der Darmwand. Dieser Prozess ist gekennzeichnet durch eine starke Abwehrreaktion, die sich als Entzündungen und im weiteren Verlauf als Autoimmunprozesse, manifestieren können.
Leaky Gut steht somit in engem Zusammenhang mit einer Anzahl an Darmerkrankungen, die in ihrem Verlauf durch chronische Entzündungen oder Autoimmunprozesse, charakterisiert sind. Darunter fallen der Morbus Crohn, die Colitis ulcerosa, das Reizdarmsyndrom, die Zöliakie, die Weizenunverträglichkeit aber auch möglicherweise Autoimmunerkrankungen wie die Hashimoto Thyreoiditis, der Diabetes mellitus Typ 1 und andere.

Einflüsse auf die Darmmikrobiota

Anhand der oben skizzierten Zusammenhänge zwischen Ernährung, Mikrobiota und Darmzellen lässt sich nachvollziehen, wie problematisch eine nachhaltige Störungen dieses Gleichgewichts sein kann. Die Darmbakterien versuchen über langen Zeitraum dieses System im Gleichgewicht zu halten. Jedoch können bestimmte Einflüsse die Toleranzbreite des Mikrobioms übersteigen, so dass es zu einem Zusammenbruch des Darm-Mikrobiom-Systems kommt.
Hierunter sind vor allem folgende Einflussfaktoren zu zählen:

  • eine regelmäßige Antibiotikatherapie
  • einseitige Ernährung und Nährstoffmangel (zu hoher Zuckerkonsum, Ballaststoffmangel, zu eiweiß- und fettreiche Ernährung)
  • Durchblutungsmangel (Nikotinabusus, Hochleistungsport, etc. )
  • Chemikalien (Schwermetalle, Medikamente, Pestizide, etc.)
  • Dauerhafter Stress und seelische Belastungen

An alldem lässt sich gut ablesen, was für Pflege und Heilung der Mikrobiota benötigt wird. Sie benötigt somit

  • eine artgemäße, ausgewogene, nährstoff- und ballaststoffreiche, schadstoffarme Ernährung
  • eine gesunde Lebensführung
  • die Zufuhr lebensfördernder Bakterien.

In diesem Sinne, viel Erfolg bei der Mikrobiotapflege und -sanierung.

Wir hoffen, dass der Artikel euch Spaß gemacht hat. Die Inhalte dieses Artikels sind auch Teil der Diätassistentenausbildung an unserer Schule. Wenn ihr Interesse bekommen habt, seht euch doch weitere Seiten unsere Homepage an und informiert euch über diese Ausbildung. Alles Gute und bis zum nächsten Artikel.

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