Seit einigen Jahren hält die Diskussion um die korrekte Kohlenhydratzufuhr bei Gesunden als auch bei Übergewichtigen und Typ II Diabetikern an. Genährt wurde die Diskussion durch Diäten und Ernährungsrichtlinien, die sich von der klassischen DGE-vorgeschriebenen Nährstoffrelation z.T. gravierend unterschieden.

Ein hoher Eiweiß- und Fettverzehr macht langfristig krank
Die DGE setzt immer noch auf ein Hauptnährstoffverhältnis von etwa 10-15% Eiweiß, 30% Fett und 55-60% Kohlenhydrate bezogen auf die tägliche Energiezufuhr.
Erkenntnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass ein Nährstoffverhältnis von P:20%, F:40% und KH:40% zu einer effektiveren Gewichtsabnahme bei insulinresistenten Adipösen und Typ II Diabetikern führt. Der Hintergrund ist vor allem in einer Kost zu sehen, die eine geringe glycämische Last aufweist und somit eine niedrigere Insulinausschüttung nach sich zieht.
Fälschlicher Weise wird von den Befürwortern einer kohlenhydratarmen Ernährung immer wieder der glycämische Index als wichtigstes Argument bemüht. Der glycämische Index (GI) eignet sich allerdings nur bedingt, um die Auswirkungen der Ernährung auf den Blutzuckerspiegel zu bewerten. Häufig wird vergessen, dass der GI vor ca. 40 Jahren in klinischen Studien ermittelt wurde, die mit den tatsächlichen Ernährungsgwohnheiten der Durchschnittsbevölkerung wenig gemeinsam haben.
Der glycämische Index ist wenig praktikabel zur Beurteilung kohlenhydrathaltiger Lebensmittel
Zur Erinnerung: Der glycämische Index beschreibt den Blutzuckerspiegelverlauf innerhalb von 2 Stunden nach der Aufnahme von 50g Kohlenhydraten aus einem einzigen Lebensmittel. Um Lebensmittel in ihrer blutzuckersteigernden Wirkung vergleichen zu können, müssen genau 50 g Kohlenhydrate über das jeweilige LM aufgenommen werden. Somit ist es notwendig ca. 1,3 kg! Magerquark oder ca. 1 kg! Möhren zu essen, um 50 g Kohlenhydrate aus diesen Lebensmitteln aufzunehmen. Diese Angaben zeigen schon wie unrealistisch die glycämischen Indexwerte für eine normale Ernährung sind, da wir grundsätzlich niemals nur ein Lebensmittel separat und in diesen Mengen essen.
Sinnvoller ist die Bewertung anhand der glycämischen Last (GL), die die tatsächlich verzehrten Kohlenhydratmengen einer durchschnittlichen Portionsgröße mit einfließen lässt. So wird schnell ersichtlich, dass nicht jedes LM mit einem hohen glycämischen Index tatsächlich auch den Blutzuckerspiegel in die Höhe schnellen lässt und eine reaktive Hyperinsulinämie auslöst, da etliche LM einen zu geringen nativen Kohlenhydratgehalt aufweisen.

Hyperinsulinämien förder das Risiko des metabolischen Syndroms
Eine langfristige Hyperinsulinämie stellt einen gravierenden Risikofaktor des metabolischen Syndroms dar. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass kurz- und mittelfristig eine Gewichtsabnahme schneller erfolgt, wenn der Eiweiß- und Fettgehalt in der Nahrung angehoben und der Kohlenhydratgehalt entsprechend gesenkt wird. Wie sich dieses Nährstoffverhältnis langfristig auswirkt, darüber gibt es kaum oder widersprüchliche Studienaussagen.

Gesundheitliche, ökologische und sozial-ethische Argumente sprechen gegen einen hohen Fleischkonsum
Das wir als Berufsfachschule für Diätassistenten an der von der DGE favorisierten Nährstoffverteilung festhalten und sie unseren Schülerinnen/Schülern vermitteln hat allerdings über den Gesundheitsaspekt hinaus noch weitere Gründe. Grundsätzlich müssen immer auch ökologische, gesundheitliche und soziale Aspekte berücksichtigt werden, wenn eine höhere Protein- und Fettzufuhr propagiert wird. Und da die meisten nährstoffmodifizierten Diäten, die den Eiweißgehalt anheben wollen, tierisches Protein in Form von magerem Fleisch oder Fisch bevorzugen, ergibt sich sehr schnell ein ökologisches und soziales Problem. Wie diese Zusammenhänge entstehen, werden wir stichpunktartig skizzieren.

Gesundheitliche Argumente für eine kohlenhydratreiche und gegen eine eiweißreiche Ernährung

  • Kohlenhydrate in Form von Vollkornprodukten, Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst sind die wichtigsten Ballaststoffquellen und Quellen aller Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe und sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe)
  • Der Verzehr tierischen Proteins ist immer an eine hohen Phosphat-, Purin-, Cholesterinzufuhr gekoppelt. Die Aufnahme gesättigter Fettsäuren steigt ebenfalls
  • Ein hoher Verzehr tierischen Eiweißes fördert die Entstehung von Hypoporopathien (Eiweißspeicherkrankheiten) (siehe Lothar Wendt)
  • Tierisches Protein weist nicht immer ein günstiges Aminosäuremuster auf. Der Anteil schwefelhaltiger und aromatischer Aminosäuren ist zu hoch –> Übersäuerung des Organismus, üngünstiger Einfluss auf den Neurotransmitterstoffwechsel durch AAS
  • Tierisches Eiweiß ist häufig belastet mit Hormon- und Antibiotikarückständen
  • Eine proteinreiche Ernährung führt zum Anstieg harnpflichtiger Substanzen, die gerarde bei Typ II Diabetikern das Risiko einer Niereninsuffizienz erhöhen

Ökologische Argumente für eine kohlenhydratreiche und gegen eine eiweißreiche Ernährung

  • Tierisches Eiweiß ist eine gigantische Primärenergievernichtung. Die Produktion von 1 kcal in Form tierischen Eiweißes entspricht im Durchschnitt 7 bis 8 kcal pflanzlicher Herkunft. Diese Energievernichtung fördert das Problem des weltweiten Hungers und der Nahrungsunsicherheit
  • Die Produktion tierischer Lebensmittel vernichtet indirekt weltweit Flächen, die zum Anbau von Futtermitteln oder zur Weidehaltung verwendet werden
  • Die Produktion tierischer Lebensmittel ist extrem Wasser- und Energie-intensiv
  • Durch die Produktion tierischer Lebensmittel wird der CO2 Ausstoß angekurbelt und trägt somit zum weltweiten Klimawandel bei
  • Die Produktion tierischer Lebensmittel geht mit einer Zunahme der Gülleproduktion und der Nitratbelastung des Grundwassers einher

Soziale Argumente für eine kohlenhydratreiche und gegen eine eiweißreiche Ernährung

  • Die Produktion tierischer Lebensmittel steigert das Problem der Massentierhaltung (Masse statt Klasse)
  • Die Exporte von Abfällen aus der Fleisch- und Geflügelproduktion zerstören die Geflügelmärkte in Afrika und Asien
  • Der Futtermittelimport verschärft das Problem der Nahrungsunsicherheit in Entwicklungsländern
  • Die Vernichtung von Primärenergie führt zu einer Verknappung von Lebensmittel und treibt somit die Nahrungsmittelpreise und -spekulationen in die Höhe

Die Argumente ließen sich sicherlich noch beliebig weiter fortsetzen, zeigen jedoch eindeutig, dass eine Ernährung arm an tierischen Produkten und reich an pflanzlichen Produkte die zeitgemäßere und gesündere Ernährung ist. Insofern ist sicherlich auch der oft geforderte wöchentliche Vegetariertag sinnvoller als die Diskussion um eine höhere Eiweißzufuhr.

Wir hoffen, dass euch der Artikel über den Kohlenhydratbedarf Spaß gemacht hat. Die Inhalte dieses Artikels sind auch Teil der Diätassistentenausbildung an unserer Schule. Wenn ihr Interesse bekommen habt besucht doch unsere Homepage unter www.bfsdiät.de und informiert euch über diese Ausbildung. Alles Gute und bis zum nächsten Artikel.